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Verständigung – Risiken einer Beteiligung für Richter

Strafverfahren, v.a. Wirtschaftsstrafverfahren, zeichnen sich oftmals durch eine hohe Komplexität beim Umfang und den zu beurteilenden Rechtsfragen aus. Aus diesem Grund streben die Verfahrensbeteiligten nicht selten eine sog. „Verständigung“, auch „Deal“ genannt, an
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Die beteiligten Richter haben es trotzdem selbst in der Hand, die Überführung eines jeden von ihnen zu blockieren

„Kann sich ein Richter durch Beteiligung an einer Verständigung strafbar machen?“

von Pascal Alt, (Auszug aus einem in Iurratio 2/2015 veröffentlichten Beitrag)

Die Verständigung

Strafverfahren, v.a. Wirtschaftsstrafverfahren, zeichnen sich oftmals durch eine hohe Komplexität beim Umfang und den zu beurteilenden Rechtsfragen aus. Aus diesem Grund streben die Verfahrensbeteiligten nicht selten eine sog. „Verständigung“, auch „Deal“ genannt, an.1 Inhalt dieser Absprache ist zumeist die Zusage einer Strafmilderung bzw. eines relativ konkret festgesetzten Strafmaßes seitens des Gerichts gegen die Abgabe eines Voll- oder Teilgeständnisses seitens des Angeklagten.2

Verständigungen wurden jahrzehntelang ohne gesetzliche Grundlage durchgeführt. Der Gesetzgeber sah sich gezwungen, eine rechtliche Grundlage für Absprachen zu schaffen und deren inhaltlichen Grenzen festzulegen. Folgerichtig trat am 4.8.2009 das „Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren“ in Kraft, welches Verständigungen zwischen den Verfahrensbeteiligten mit dem Ziel einer vorbesprochenen Verfahrensgestaltung oder Verfahrensbeendigung, insbesondere im § 257c StPO, der zentralen Vorschrift des VerstG, vorsieht.

Verständigung – Risiken einer Beteiligung für Richter

Zuerst sollen die möglichen Straftatbestände untersucht werden, welche ein Richter durch eine unzulässige Verständigung erfüllen könnte.

I. Rechtsbeugung, § 339 StGB

Als erstes ist hier der Tatbestand der Rechtsbeugung gem. § 339 StGB zu nennen. Diese Strafnorm ist, sofern es um die Strafbarkeit des Richters geht, vorrangig zu prüfen. Zum einen deshalb, weil es sich hierbei um das mit der höchsten Strafe in Betracht kommende Delikt handelt, und zum anderen, weil eine Ablehnung des Tatbestandes des § 339 StGB zu einer Sperrwirkung gegenüber allen anderen möglichen Strafnormen führt.3 Fraglich ist allerdings, was unter „Beugen des Rechts“ verstanden wird.

Der Begriff „Recht“ im Rahmen des § 339 StGB meint die Gesamtheit aller zur Rechtsordnung gehörenden Normen. Hierzu gehören sowohl das positive Recht als auch ungeschriebene Rechtssätze und überpositive Normen.4 Es wird demnach das materielle wie auch das Verfahrensrecht erfasst.5

Eine Beugung des Rechts kann der Rechtsprechung nach nur bei einem elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege vorliegen, nämlich, wenn sich der Amtsträger in schwerwiegender Weise bewusst von Gesetz und Recht entfernt.

Der Widerspruch zum Recht muss eindeutig sein. Bei auslegungsbedürftigen Vorschriften und mehreren Interpretationsmöglichkeiten muss die Grenze des Vertretbaren klar überschritten werden.6 Schließlich muss bei einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften nicht nur die abstrakte, sondern die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung verursacht werden, ohne dass unbedingt ein Vor- oder Nachteil für eine Partei tatsächlich eintritt.7

1. Verstoß gegen Mitteilungs- und Protokollierungspflichten

Ein Verstoß gegen die sich aus den §§ 106b S. 2, 202a S. 2 und 212, 273 Abs.1a S. 2 StPO ergebenden Mitteilungs- und Protokollierungspflichten könnte den Straftatbestand der Rechtsbeugung erfüllen. Bei der Beurteilung des Schweregrades des Verstoßes ist zu beachten, dass der Gesetzgeber den Mitteilungs- und Protokollierungsvorschriften eine große Bedeutung beigemessen hat. Es war ein wesentliches Ziel der gesetzlichen Regelung, das Ergebnis einer Verständigung vom Gerichtsflur in den Gerichtssaal zu verlagern.

Eine Absprache soll demnach nicht mehr heimlich, sondern im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung zustande kommen.8 Eine Verständigung darf außerhalb der Hauptverhandlung nur vorbereitet werden, „unverzichtbar ist dann aber, darüber Transparenz in der Hauptverhandlung herzustellen“.9

Aus diesen Gründen soll ein Verstoß gegen das Transparenzgebot als ein elementarer Verfahrensverstoß angesehen werden, was die Unzulässigkeit, Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit der Absprache zur Folge hat.10 Eine heimliche Verständigung er- weckt den Eindruck eines inhaltlich unzulässig zustande gekommenen Urteils und begründet somit die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung.11

2. Absprache über die Schuld

Aus § 257c Abs. 2 S.3 StPO ergibt sich, dass ein Schuldspruch niemals Gegenstand einer Verständigung sein darf. Die Verfahrensbeteiligten dürfen sich daher nicht darüber verständigen, was der Angeklagte in der Hauptverhandlung gestehen und wegen welcher Delikte er infolgedessen verurteilt werden soll. Eine Zuwiderhandlung stellt einen Verfassungsverstoß dar und somit auch einen gravierenden Verfahrensverstoß, bei welchem sich der Amtsträger in schwerwiegender Weise von Gesetz und Recht entfernt.

Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren sicherzustellen. Hierauf darf und kann er nicht nach seinem Belieben verzichten.12 Die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung kann aus der möglicherweise zu milden Strafe resultieren.13 Ebenso darf eine Strafrahmenverschiebung kein Gegenstand einer Verständigung sein, da auch sie Ausdruck des Unwerts- und Schuldgehalts ist.14

Bei einem Verstoß hiergegen wäre ebenfalls der Straftatbestand der Rechtsbeugung als erfüllt anzusehen. Anders wäre aber die Rechtslage zu beurteilen, wenn sich aus dem verständigungsbasierten Geständnis selbst ein minderschwerer Fall ergibt.15

3. Rechtsmittelverzicht

Gem. § 302 Abs. 1 S. 2 StPO ist jeder im Anschluss an eine Verständigung erklärte Rechtsmittelverzicht unwirksam. Diese Regelung dient dem Schutz des Angeklagten vor einer Überrumpelung durch eine allzu eilig getroffene und vollzogene Verständigung.16 Der Angeklagte soll die Möglichkeit haben, sich bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zu überlegen, ob er das Urteil akzeptiert oder nicht. In der Praxis sind wiederholt Fälle bekannt geworden, in denen der Angeklagte nach einer Verständigung das Gefühl hatte, von ihm würde ein Rechtsmittelverzicht erwartet werden.

Aus diesem Grund war es ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers, einen Rechtsmittelverzicht im Rahmen einer Verständigung für unzulässig zu erklären.17 Missachtet der Richter diese Regelung, so stellt dies einen elementaren Verstoß gegen die Rechtsordnung dar und der Straftatbestand des § 339 StGB ist als erfüllt anzusehen.

Die Frist des § 341 Abs. 1 StPO beginnt trotz unwirksamen Rechtsmittelverzichts und sogar bei fehlender Rechtsmittelbelehrung zu laufen, womit die konkrete Gefahr einer inhaltlich falschen Entscheidung einhergeht.18 Allerdings kommt es selten zu solch offensichtlichen Verfahrensverstößen, sodass dem unzulässigen Rechtsmittelverzicht eher geringe Bedeutung zukommen dürfte.

4. Verletzung der Aufklärungspflicht

Weiterhin muss das Gericht auch bei Verständigungen den Amtsaufklärungsgrundsatz berücksichtigen. Es darf dem Geständnis des Angeklagten nicht gutgläubig vertrauen, sondern muss die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel erstrecken, die für die Wahrheitsfindung erforderlich sind. Diese Pflicht ist in § 257c Abs. 1 S. 2 StPO gesetzlich geregelt. Demnach darf durch eine Verständigung die Aufklärungspflicht des Gerichts gem. § 244 Abs. 2 StPO nicht berührt werden.

Ob aber auch der Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt ist, wenn der Richter dem Geständnis des Angeklagten Glauben schenkt und auf eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes verzichtet, ist umstritten. Einer Ansicht nach schafft ein Richter, welcher lediglich dem Geständnis des Angeklagten Glauben schenkt und somit gegen die Aufklärungspflicht verstößt, die konkrete Gefahr einer inhaltlich falschen Entscheidung.19

Die Gegenansicht vertritt die Meinung, dass zwar ein Rechtsverstoß vorliege, dieser jedoch nicht zu einer Strafbarkeit gem. § 339 StGB führen soll.20 Dies wird damit begründet, dass einerseits die Möglichkeit postuliert werde, dass sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens verständigen kann, andererseits solle aber der Amtsermittlungsgrundsatz gem. § 244 Abs. 2 StPO unberührt bleiben, womit die Möglichkeit, eine verfahrensabkürzende Absprache zu treffen, wieder bei Null wäre.21

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 19.03.2013 der Vorstellung, dass mit dem VerstG eine zweite, alternative Prozessordnung eingeführt wurde, welche zu einem Handel mit Gerechtigkeit führen würde, eine klare Absage erteilt.22 In der Einführung des VerstG soll lediglich die Möglichkeit eines alternativen Beweisverfahrens liegen.

Der Aufklärungsgrundsatz gem. § 244 Abs. 2 StPO ist demnach nicht als eine Voraussetzung des § 257c StPO zu verstehen, stattdessen soll § 244 Abs. 2 StPO als Ausgangspunkt der Argumentation angesehen werden, dem sich alle anderen Voraussetzungen des § 257c StPO unterzuordnen haben.23 Bei Geständnissen im Rahmen von Verständigungen besteht die Gefahr, dass der Angeklagte aus Angst vor einer härteren Strafe ein falsches Geständnis abgibt.

Somit ist v.a. im Rahmen von Verständigungen der Aufklärungsgrundsatz einzuhalten. Die Handhabung der Wahrheitserforschung darf nicht zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts gestellt werden.24 Ein Verstoß hiergegen soll demnach gem. § 339 StGB strafbar sein.

II. Strafvereitelung im Amt, § 258a StGB

Ebenso könnte sich ein Richter wegen Strafvereitelung im Amt gem. § 258a StGB strafbar machen. Das Merkmal der Vereitelung ist bereits dann erfüllt, wenn der Angeklagte durch das Ergebnis einer Urteilsabsprache besser gestellt wird, als dies bei korrekter Anwendung des geltenden materiellen und prozessualen Rechts der Fall wäre.25

Eine Strafvereitelung liegt beispielsweise in den Fällen vor, in denen ein Strafrabatt für ein Geständnis zu groß ausfällt, eine Verurteilung wegen eines Verbrechens anstatt eines Vergehens erfolgt, oder gesetzliche Strafschärfungs- oder Strafmilderungsgründe unberücksichtigt bleiben.26 Von größter Bedeutung ist die geständnisabhängige Strafmilderung oder die extensive Einstellungsmentalität von Staatsanwälten oder Richtern.

Die Strafbarkeit des Richters scheitert in Fällen, in denen dem Angeklagten sehr weit entgegengekommen wird, meist an dem dem Richter zur Verfügung stehenden Ermessens- und Beurteilungsspielraums. Abgesehen von „eklatanten Ausnahmefällen“ scheidet eine Strafbarkeit eines Richters durch eine Verständigung wegen Strafvereitelung im Amt damit praktisch aus.27

III. Falschbeurkundung im Amt, § 348 Abs. 1 StGB

Außerdem kommt für den Richter eine Strafbarkeit wegen Falschbeurkundung im Amt in Betracht, wenn er bewusst unwahr im Hauptverhandlungsprotokoll das sog. Negativattest abgibt (§ 273 Abs. 1a 3 StPO) oder eine Erörterung außerhalb der Hauptverhandlung entgegen §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a S. 2 StPO weder mitteilt noch protokolliert.28 § 348 Abs. 1 StGB verlangt als geeignetes Tatobjekt eine öffentliche Urkunde iSd § 415 ZPO.

Gerichtliche Protokolle, zu denen das Hauptverhandlungsprotokoll im Strafprozess (§ 271 StPO) gehört, stellen nach überwiegender Ansicht öffentliche Urkunden dar, soweit sie Beweiskraft für und gegen jedermann haben.29 Fraglich ist nur, ob die Mitteilung, dass keine Verständigung stattgefunden hat, den erforderlichen öffentlichen Glauben genießt. Die Beweiskraft des Protokolls bezieht sich nach § 274 StPO auf die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, das Hauptverhandlungsprotokoll habe keine Beweiskraft für und gegen jedermann, da § 274 StPO lediglich für Rechtsmittelverfahren gelte.30

Der 3. Senat des BGH hat in einer seiner Entscheidungen allerdings angemerkt, dass das Hauptverhandlungsprotokoll „zumindest im Hinblick auf die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten“ ein taugliches Tatobjekt iSd § 348 StGB darstelle.31 Für diese Ansicht sprechen die in § 274 StPO enthaltenen Beweisregeln, „die dem Sitzungsprotokoll hinsichtlich der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten eine ausschließliche Beweiskraft zuweisen“.32

Da das Negativattest aus § 273 Abs. 1a S. 3 StPO unstreitig zu den wesentlichen Förmlichkeiten iSd § 274 S.1 StPO gehört, ist bei einem Verstoß gegen selbigen von einer Falschbeurkundung im Amt auszugehen.33 Allerdings soll die Strafdrohung der Falschbeurkundung v.a. die Konstellationen einer Verständigung treffen, die sich an die sonstigen Voraussetzungen des § 257c StPO halten. § 348 StGB kann in Fällen einer informellen Absprache nicht einschlägig sein, da das Protokoll in diesem Fall die Aussage enthalten würde, dass eine Verständigung iSd § 257c StPO nicht stattgefunden hat.

Da es sich bei einer informellen Absprache gerade nicht um eine Verständigung iSd § 257c StPO handelt, wäre dies eine wahre Aussage.34 Zwar scheint es der Wille des Gesetzgebers zu sein, dem Negativattest eine weiterreichende Aussagekraft beizumessen, die auch das Unterbleiben einer außerhalb der Hauptverhandlung getroffenen Verständigung einschließen sollte. Allerdings ist ihm dies nicht gelungen.35

Von der Beweiskraft ausgenommen ist dagegen der konkrete Inhalt einer Verständigung oder einer Erörterung. Beurkundet der Richter beispielsweise eine falsche Strafober-bzw. Strafuntergrenze, so begründet diese Lüge nicht das Risiko, wegen Falschbeurkundung im Amt verfolgt zu werden.36

IV. Nötigung, § 240 StGB

Der Straftatbestand der Nötigung gem. § 240 StGB lässt sich bei Verständigungen im Strafprozess nicht gänzlich ausschließen. Nähere Betrachtung verdient die Tatbestandsalternative der Drohung mit einem empfindlichen Übel. Unter Drohung wird das Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels verstanden, auf welches der Täter Einfluss zu haben vorgibt.37 Hierbei könnte an die Erwartung des Angeklagten angeknüpft werden, sich einer härteren Bestrafung auszusetzen, wenn er auf das Verständigungsangebot nicht eingeht.

Jedoch ist bereits zweifelhaft, ob das Verständigungsangebot als solches als Drohung angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn Nachteile für den Angeklagten angedeutet werden, was in der Praxis allerdings kaum geschehen dürfte, da die Richter ansonsten sogleich die Grundlage für begründete Ablehnungsanträge legen würden.38

Selbst wenn man das Verständigungsangebot als eine versteckte Drohung ansehen würde, wäre diese nicht geeignet, die Grenze zur Nötigung im strafrechtlichen Sinne zu überschreiten, da es sich auch um eine Belehrung durch das Gericht über die Möglichkeit einer strafmildernden Berücksichtigung eines Geständnisses handeln könnte.39 Zudem ließe sich die Verwerflichkeit nur schwer begründen, da dem Betroffenen sogar noch die Möglichkeit zukommt, auf seine prozessuale Situation positiv Einfluss zu nehmen.40

Der BGH hat sich dennoch schon mehrfach mit einschneidenden Nötigungssituationen, welche ihre Grundlage in einer Verständigung hatten, auseinandersetzen müssen.41 In der Praxis der Verfahrensabsprache hat es immer wieder Fälle gegeben, in denen einem Angeklagten für fehlende Absprachebereitschaft eine höhere, nicht mehr schuldangemessene Strafe in Form der „Sanktionsschere“ in Aussicht gestellt wurde.42

Was jedoch im Einzelfall konkret als eine unangemessen hohe Strafe anzusehen ist, lässt sich nicht konkret definieren.43 Strafrechtliche Relevanz können daher nur solche Fälle erlangen, in denen die Unangemessenheit der in Aussicht gestellten Rechtsfolge klar und deutlich ist, also z.B. wenn dem Angeklagten bei einem Geständnis eine Bewährungsstrafe versprochen wird, bei Ausbleiben eines Geständnisses der Angeklagte jedoch zu einer Gefängnisstrafe von mindestens sechs Jahren verurteilt werden soll.44

V. Bestechungsdelikte, §§ 331 ff. StGB

Keine Rolle haben im Zusammenhang mit Absprachen bislang die Bestechungsdelikte der §§ 331 ff. StGB gespielt. Allerdings ist eine Strafbarkeit gar nicht so abwegig, wie auf den ersten Blick zu erwarten. Es werden Fälle erfasst, in denen ein Amtsträger oder ein Richter einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehmen wird.45 Zwingend erforderlich ist allerdings, dass Vorteil und Dienstausübung sach- bzw. rechtswidrig miteinander verknüpft sind.

Die hierfür sprechende Vermutung wird durch das VerstG entkräftet. Solange der Amtsträger die gesetzlichen Vorgaben einhält, setzt er sich also keinem Risiko aus.46 Vorteile für einen Richter im Rahmen einer Verständigung könnten sowohl in Form der Arbeitsersparnis oder auch der Anerkennung seiner Vorgesetzten für die zügige Bearbeitung seiner Fälle gegeben sein.47

In der Literatur wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass es sich hierbei nicht um einen Vorteil iSd §§ 331 StGB handelt, da nur solche immateriellen Vorteile ausreichen sollen, die einen objektiv messbaren Inhalt haben und den Amtsträger in irgendeiner Weise besserstellen.48 Allerdings kommt eine Strafbarkeit gem. §§ 331 ff. auch bei Einstellungen gem. § 153a StPO in Betracht. Hierbei stehen Drittvorteile, z.B. für gemeinnützige Einrichtungen, im Raum.

Die Verknüpfung von Vorteil und Dienstausübung ist allerdings gesetzlich vorgesehen und somit regelkonform. Eine Ausnahme hiervon soll nur gemacht werden, wenn der Richter eine besondere Beziehung zu der Einrichtung hegt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er als Vorstand von der Leistung profitiert.

Fazit

Für eine Verurteilung eines Richters wegen einen der oben genannten Straftatbestände ist zuerst einer Verurteilung gem. § 339 StGB erforderlich. Während in der Vergangenheit eine Verurteilung eines Richters meist entweder an der restriktiven Haltung der Staatsanwaltschaft in selbst eindeutigen Fällen67 oder an einem Tatbestands- oder Verbotsirrtum scheiterte, scheint der Wert des § 339 StGB gestiegen zu sein.68

Aufgrund der detaillierten Verfahrensregeln, der intensiven Diskussion der Verständigung in der Rechtsprechung und Literatur und der Entscheidung des BVerfG dürfte es in Zukunft nicht mehr möglich sein, sich erfolgreich auf einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum zu berufen.69 Auch die bisher restriktive Haltung der Staatsanwaltschaft könnte sich durch die Entscheidung des BVerfG ändern.

Das BVerfG hat deutlich auf die Einhaltung sämtlicher Vorschriften des VerstG hingewiesen und die Staatsanwaltschaft als den Teil der Verfahrensbeteiligten benannt, welcher die Umsetzung der Vorschriften des VerstG sichern soll.70 Ob die Staatsanwaltschaft dieser Aufgabe in Zukunft wirklich gerecht wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Eine Strafbarkeit eines Richters scheint aber dann nahezu ausgeschlossen, wenn die Verhandlung vor einem Kollegialgericht stattfindet. Die Verurteilung eines Richters wegen Rechtsbeugung aufgrund der Entscheidung eines Kollegialgerichts, an der er als dessen Mitglied beteiligt gewesen ist, setzt die Feststellung voraus, dass er für die von ihm als Unrecht erkannte, das Recht beugende Entscheidung gestimmt hat.71

Ein überstimmter Richter macht sich durch seine weitere Mitwirkung am Verfahren weder als Mittäter noch als Gehilfe strafbar.72 Diese Aufklärung könnte an dem jeden Richter bindenden Beratungsgeheimnis aus § 43 DRiG  scheitern.73 Das Beratungsgeheimnis dient aber nur dem Schutz der rechtmäßigen Urteilsfindung und tritt deshalb bei Verdacht der rechtswidrigen Urteilsfindung zurück.74

Die beteiligten Richter haben es trotzdem selbst in der Hand, die Überführung eines jeden von ihnen zu blockieren, indem sie im wechselseitigen Einvernehmen von ihrem Schweigerecht nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO oder von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch machen.75

 

Fußnoten:
1 Klemke/Elbs, Einführung in die Praxis der Strafverteidigung, S. 256, Rn.791 ff.
2 Beulke, StPO, S. 257, Rn. 394.
3 Dießner, in: StV 2011, 43 (45).
4 Kudlich, in: S/Sch/W, StGB, § 339, Rn.16.
5 BGHSt 47, 105, 109.
6 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT 1, S. 358, Rn. 1133. 7 BGHSt 42, 343, 351.
8 Schlothauer, in: N/Sch/W, VerstG, S. 214, Rn.49.
9 BT-Drucks. 16/ 12310, S.9.
10 Schlothauer, in: N/Sch/W, VerstG, S. 214, Rn.51. 11 Dießner, in: StV 2011, 43 (46).
12 NStZ 1987, 419.
13 Satzger, in: FA-Strafrecht, S. 1296, Rn.68.
14 Kudlich, in: NStZ 2013, 379 (380).
15 Knauer, in: NStZ 2013, 433 (435).
16 Altenhain, in: JZ 2010, 327 (333).
17 Dießner, in: StV 2011, 43 (46).
18 Satzger, in: FA-Strafrecht, S. 1296, Rn.68.
19 Dießner, in: StV 2011, 43 (46).
20 Satzger, in: FA-Strafrecht, S. 1297, Rn.71.
21 Wohlers, in: NJW 2010, 2470 (2474).
22 Globke, in: JR 2014, 9.
23 Globke, in: JR 2014, 9 (10).
24 Stuckenberg, in: ZIS 4/2013, 212 (216).
25 Schlothauer, in: N/Sch/W, VerstG, S. 208, Rn.34.
26 Siolek, Verständigung in der Hauptverhandlung, S. 214.
27 Satzger, in: FA-Strafrecht, S. 1298, Rn.67.
28 Dießner, in: StV 2011, 43 (46).
29 Schlothauer/Weider, in: StV 2009, 600 (606); Fischer, StPO, § 348 StGB, Rn.4, 6.
30 OLG Hamm NJW 1977, 592 (593); Stuckenberg, in: ZIS 3/2014, 212 (215).
31 BGHSt 51, 88, 98.
32 Dießner, in: StV 2011, 43 (47), Bittmann, in: NStZ-RR 2011, 102.
33 StV 2010, 346.
34 Globke, in: JR 2014, 9 (18).
35 Niemöller, in: N/Sch/W, VerstG, S. 136, Rn.16.
36 Dießner, in: StV 2011, 43 (47).
37 Rössner, in: NK-StGB, § 240, Rn.15.
38 Siolek, Verständigung in der Hauptverhandlung, S. 217.
39 Kremer, Absprachen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten im Strafprozess, S. 208.
40 Braun, Die Absprache im deutschen Strafverfahren, S. 90.
41 Jungfer, in: StV 2007, 380 (383).
42 BGH StV 2004, 470; BGH StV 2007, 619.
43 Dießner, in: StV 2011, 43 (47).
44 Schlothauer, in: N/Sch/W, VerstG, S. 212, Rn.44.
45 Rönnau, Absprache, S. 233.
46 Satzger, in: FA-Strafrecht, S. 1299, Rn.78.
47 Rönnau, Die Absprache im Strafprozess, S. 235.
48 Bauchrowitz, Der immaterielle Vorteilsbegriff der Bestechungsdelikte im StGB, S. 83.
67 Altenhain/Haimerl, in: JZ 2010, 327 (336).
68 Satzger, in: FA-Strafrecht, S. 1296, Rn.67.
69 Globke, in: JR 2014, 9 (17).
70 NStZ 2013, 295 (297).
71 NJW 2008, 3585; Erb, in: FS- Küper 2007, 31.
72 Fischer, StGB, § 339, Rn.8a.
73 Braun, Die Absprache im deutschen Strafverfahren, S. 86.
74 Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, S. 55, Rn.128.
75 Scholderer, Rechtsbeugung im demokratischen Staat, S. 228.

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