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Junge Anwältinnen mit Kindern – Eine lohnenswerte Herausforderung?!

Seit fast einem Jahr gehöre ich zu dieser Berufsgruppe Anwältin, deren Zugang von meinen Geschlechtsgenossinnen so hart erkämpft wurde. Ich bin Anwältin in einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Madrid, wo ich meinen Lebensmittelpunkt habe und kurz vor der Geburt meines ersten Kindes stehe.
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„...und wie es kommt, ist es dann auch richtig!“

von Rechtsanwältin Katharina Miller, LL.M. (Madrid) (aus dem Archiv, so veröffentlicht in Iurratio Ausgabe 3/2010)

A. EINLEITUNG
Es war ein harter Kampf um die Zulassung von Anwältinnen zum anwaltlichen Berufsstand und noch im Januar 1922 hatte die Vertreterversammlung des Deutschen Anwaltvereins mit einfacher Mehrheit beschlossen, dass sich die Frau nicht zur Rechtsanwaltschaft eigne.1 Trotzdem wurde Dr. Maria Otto am 7. Dezember 1922 vom Bayrischen Staatsministerium der Justiz zur ersten deutschen Rechtsanwältin zugelassen.2

In der Zwischenzeit beträgt der weibliche Anteil unter der Anwaltschaft 30 %.3 Seit fast einem Jahr gehöre ich zu dieser Berufsgruppe, deren Zugang von meinen Geschlechtsgenossinnen so hart erkämpft wurde. Ich bin Anwältin in einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Madrid, wo ich meinen Lebensmittelpunkt habe und kurz vor der Geburt meines ersten Kindes stehe.

B. FESTSTELLUNG DES „ZUSTANDS SCHWANGERSCHAFT“ IM 4. BERUFSMONAT
Natürlich war die Überraschung sehr groß, als mein spanischer Mann und ich inmitten meiner Mandate feststellten, dass ich schwanger bin. Die Gefühle während der ersten Tage schwankten von immenser Freude einerseits zum befürchteten Ende meiner beruflichen Karriere andererseits. Mittlerweile kann ich über die negativen Gedanken schmunzeln, obwohl wir erst am Anfang des Abenteuers „Kind“ stehen.

Zunächst stellte sich für mich die Frage, wie ich die Schwangerschaft meinem spanischen Arbeitgeber mitteilen sollte, da ich erst seit vier Monaten meine Anstellung als deutsche Rechtsanwältin und eingetragene Abogada4 mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag begonnen hatte.

C. MITTEILUNGSPFLICHTEN
Mein Mann und ich hatten zunächst beschlossen, niemandem außerhalb unserer Familien etwas von der Schwangerschaft zu erzählen. Ich setzte mir willkürlich eine Frist von vier Monaten, um meinen Arbeitgeber über das freudige Ereignis in Kenntnis zu setzen.

In dieser Zeit hatte ich die Gelegenheit mich mit dem Gedanken Mutter zu werden anzufreunden, mich an die Veränderungen des Körpers zu gewöhnen und auch die Möglichkeit, meinen Beruf nach außen hin ganz normal weiter auszuüben, wobei ich über mein normales Engagement hinaus versuchte, Höchstleistungen zu erbringen.

In Deutschland ist die Schwangere gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (MuSchG) dazu verpflichtet, ihren Arbeitgeber über die Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung zu informieren, sobald ihr die Schwangerschaft bekannt ist.

In Spanien kann eine Arbeitnehmerin ihren Zustand so lange verschweigen wie dieser nicht offenkundig ist und sie ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht illoyal wird5. Dementsprechend hat es mir persönlich gut getan, meiner Mitteilungspflicht erst später nachzukommen.

Ich hatte dadurch nämlich Zeit meine Gedanken zu sortieren, Erfahrungsberichte zu sammeln und festzustellen, dass eine Schwangerschaft das Normalste der Welt ist und es für das Kinderkriegen auch nie den richtigen Moment gibt. Ganz davon abgesehen mobilisierte die anstehende Mutterschaft meinen Ehrgeiz und nach nur vier Monaten Berufstätigkeit erkämpfte ich eine Gehaltserhöhung, die ich im nichtschwangeren Zustand wahrscheinlich so nicht durchgesetzt hätte.

 

D. GEHÄLTER VON ANWÄLTEN
In Spanien beträgt das Einstiegsgehalt junger Anwälte im Durchschnitt monatlich 2.400,– EUR brutto6 , wobei im Augenblick auf Grund der ökonomischen Krise sehr restriktiv eingestellt wird7 . Für die Einstiegsgehälter von angestellten Junganwälten in Deutschland hat der BGH erst kürzlich bekräftigt, dass Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen beschäftigt werden dürfen, § 26 BORA.

Eine zu geringe und unangemessene Vergütung durch den Arbeitgeber stelle demnach ein Verstoß gegen die Berufspflichten dar, § 43 BORA.8 Demnach sei ein Bruttogehalt von 1.000,– EUR monatlich unangemessen niedrig und verstoße gegen die guten Sitten, § 138 BGB. Der BGH legte dagegen als durchschnittliches Einstiegsgehalt rund 2.300,– EUR brutto für eine Vollzeitstelle zu Grunde und bezog sich dabei auf einen angestellten Rechtsanwalt ohne besondere Spezialisierung, ohne besondere Zusatzqualifikation und ohne Prädikatsexamen im Jahr 2006.9

Eine Statistik, wonach sich belegen lässt, dass Anwältinnen mit Kindern weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen mit Kindern, liegt (noch)10 nicht vor. Allerdings lässt sich diese Vermutung herleiten, denn es sind nur wenige Anwältinnen Partner in den Kanzleien11 und Anwältinnen12 bzw. Frauen13 verdienen weniger als Anwälte bzw. Männer. Dies ist gelebte Wirklichkeit sowohl in Deutschland als auch in Spanien14.

E. MUTTERSCHUTZ UND RÜCKKEHR IN DEN BERUF
Mein Arbeitsumfeld hat sich nach Mitteilung der Schwangerschaft nicht verändert. Nach den 16 Wochen Mutterschutz, die in Spanien zeitlich nach der Geburt liegen und in Art. 48 Abs. 4 der spanischen Arbeiterstatuten vorgesehen sind, werde ich wieder ganztags in die Kanzlei zurückkehren.

In Deutschland ist der Mutterschutz für berufstätige Schwangere gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG auf sechs Wochen vor der Geburt und gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG auf 8 Wochen nach der Geburt aufgeteilt. Welches System das bessere ist, kann ich nicht beurteilen. Meinen Plan, bis zum Tag der Geburt zu arbeiten, musste ich leider aufgeben. Mein Körper hat genau einen Monat vor dem geschätzten Geburtstermin auf Grund der spanischen Hitze und der 9-10 täglichen Arbeitsstunden nicht mehr mitgemacht, weshalb ich bis zur Geburt krankgeschrieben bin. Dass das kindliche Wohl dem Berufsleben vorgeht, war eine wesentliche Erfahrung.

Die Mandanten haben in der Regel freudig reagiert, wenn sie mich mit dem schwangeren Bauch gesehen haben oder ich sie, um meine zeitlich befristete Abwesenheit zu erklären, über meine Schwangerschaft schriftlich oder telefonisch in Kenntnis setzte.

Es gab allerdings auch Reaktionen von Mandanten, die Bedenken um ihre weitere Betreuung während meiner fast viermonatigen Abwesenheit äußerten. Auch dies stellen erste Lernerfahrungen bezüglich der Tatsache dar, dass ich nun nicht mehr nur eine 100 % Anwältin, sondern auch Mutter eines kleines Kindes sein werde.

In Deutschland arbeiten einige Anwältinnen nach der Geburt Teilzeit bzw. zu flexiblen Arbeitszeiten.15 Viele deutsche Kanzleien beschäftigen vorbehaltslos Anwältinnen mit Kindern und werben auch damit.16 Die Betreuung während der Arbeitszeiten übernehmen in der Regel die Partner, Kinderfrauen oder eine Kindertagesstätten. Eine Teilzeitarbeit habe ich für mich persönlich von Anfang an ausgeschlossen.

Aus diesem Grund kommt es mir zugute, dass in Spanien das Familiennetzwerk sehr ausgeprägt ist und die meist aus Südamerika oder Osteuropa stammenden Kinderfrauen für wenig Geld bereit sind, ein Kleinkind zu betreuen.

In unserem Fall wird mein Mann die Kinderbetreuung übernehmen, da er von Zuhause aus seinem Beruf nachgehen kann. Er freut sich schon sehr auf diese Zeit.

Ich freue mich ebenfalls schon sehr auf den Kleinen und verfolge gleichzeitig fernmündlich mit Spannung die erfolgreiche Abwicklung der Liquidierung einer spanischen Mandantin, die gütliche Einigung in einer internationalen Erbschaftsangelegenheit, den Anteilskauf eines großen spanischen Unternehmens, etc. Wieder einmal bewahrheitet sich der Sinnspruch: „Es kommt, wie es kommt!“.

Hinzufügen möchte ich: „…und wie es kommt, ist es dann auch richtig!“ In diesem Sinne kann ich aus voller Überzeugung sagen, dass es eine lohnenswerte Herausforderung ist, eine schwangere junge Anwältin zu sein, die kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes steht.

Fußnoten:

1 Wild/Lührig, Anwaltsblattgespräch, in: AnwBl 2010, S. 175f.
2 Wild/Lührig, s.o.
3 Hommerich/Kilian, Frauen im Anwaltberuf – Ergebnisse einer Sekundäranalyse, Deutscher Anwaltverlag, 1. Aufl., Bonn 2007.
4 In Spanien können ausländische Anwälte, die in ihrem Heimatland als solche in einer Rechtsanwaltskammer bzw. in einer entsprechenden Institution zugelassen sind, die Eintragung als Abogado inscrito/ Abogada inscrita in einer der spanischen Rechtsanwaltskammern beantragen, entsprechend des Königlichen Dekrets 936/2001.
5 TJCE 4-10-01, Fall Tele Danmak A/S.
6 BAO & Partners: Análisis Comparativo de las Retribuciones en los Despachos de Abogados, Noviembre 2009.
7 Hidalgo Alonso, Jóvenes Abogados: Tan afectados como el que más, in: Revista del Consejo General de la Abogacía Española, Abril 2009, S. 24 f.
8 BGH, Beschluss vom 30.11.2009 – AnwZ (B) 11/08; NZA 2010, S. 595.
9 Dies gestützt auf eine Dokumentation der Bundesrechtsanwaltskammer, ein Gutachten des Instituts für Freie Berufe Nü., eine Studie des Soldan-Instituts für Anwaltsmanagement (BRAK-Mitt 2006, S. 55) und auf weiteres Datenmaterial.
10 Die ARGE Anwältinnen im Deutschen Anwaltverein plant zeitnah eine Fragebogenaktion, wonach die berufliche Situation von Anwältinnen, die Mütter sind, erfasst werden soll.
11 Hommerich/Kilian, FN 2; Brenner: Kinder machen gelassen, in: AnwBl Karriere 2009, S.57; Wild/Lührig, FN 1.
12 Hommerich/Kilian, Strukturwandel und wirtschaftliche Situation der Anwaltschaft, in: AnwBl 2010, S.277 f., wonach Anwältinnen bis zur Hälfte weniger verdienen als ihre männliche Kollegen; Düsing/Spranger, Anwältin mit Willen – Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im DAV, in: DAV Ratgeber, 11. Aufl., Bonn 2006, S. 74, m. w. N.
13 Berth, Froh zu sein bedarf es wenig, in: Süddeutsche Zeitung vom 06.07.2010, http://www.sueddeutsche.de/karriere/ungleiche-bezahlungfrauen-wollen-es-nicht-anders-1.970388 (Stand: 11.08.2010).
14 Blanco Camacho, La feminización de la Justicia: Una conquista aún a medio camino, in: Revista del Consejo General de la Abogacía Española, Oktober 2009, S. 11.
15 Brenner, FN 10.
16 Brenner, FN 10; Düsing/Spranger: FN 11.

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