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Richtungsweisendes Urteil im VW-Abgasskandal – Klage gegen VW auf Kaufpreiserstattung erfolgreich

Das Landgericht Hildesheim hat mit Urteil vom 17.01.2017 der Klage des Käufers eines Skoda Yeti gegen die Volkswagen AG wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung auf Erstattung des Kaufpreises stattgegeben (Az. 3 O 139/16).
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Richtungsweisendes Urteil im VW-Abgasskandal

Das Landgericht Hildesheim hat mit Urteil vom 17.01.2017 der Klage des Käufers eines Skoda Yeti gegen die Volkswagen AG wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung auf Erstattung des Kaufpreises stattgegeben (Az. 3 O 139/16).

Gesetzeswidrige Manipulation der Motorsteuerung

Der Kläger hatte im Jahr 2013 von einem Autohaus in Gifhorn einen PKW Skoda Yeti 2.0 TDI Elegance Plus Edition zum Neupreis von 26.499,99 € erworben. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor ausgestattet.

Dabei ist die Motorsteuerung des PKW so programmiert, dass der Wagen bei der Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand diese Situation erkennt und weniger Stickoxide abgibt als im „Echtbetrieb“ auf der Straße.

Hierbei handelt es sich nach Auffassung der Kammer um eine gesetzeswidrige Manipulation der Motorsteuerung, die gegen europäische Vorgaben zur Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen verstößt. Der Ansicht der Beklagten, wonach es auf die Emissionswerte des Fahrzeuges im normalen Straßenbetrieb nicht ankomme, sondern allein auf die Emissionswerte unter Laborbedingungen im Prüfbetrieb, folgt die Kammer nicht.

Durch diese Manipulation habe die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten
Sitten verstoßenden Art und Weise (§ 826 BGB) einen Schaden zugefügt und darüber hinaus den Tatbestand des Betruges verwirklicht.

Exkurs zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, § 826 BGB

(Quelle: Looschelders, Schuldrecht BT, 4. Auflage 2010, § 46, Rn. 1290ff.)

Das Merkmal der Sittenwidrigkeit ist oft problematisch, da es sich um einen unbestimmten ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff handelt, dessen Reichweite abstrakt nur schwer zu bestimmen ist. Maßgeblich hierfür sind die sozialethischen Wertungen, wobei den Grundrechten eine zentrale Bedeutung zukommt.

Der Begriff der Sittenwidrigkeit findet sich auch im § 138 BGB. Beiden Normen kommt der gleiche Bewertungsmaßstab zu, jedoch sind Bewertungsgegenstand und Rechtsfolgen unterschiedlich. Während § 138 BGB die Nichtigkeit eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts regelt, geht es bei § 826 BGB um die Schadensersatzpflicht wegen sittenwidrigen Verhaltens. So kann aus der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 138 BGB nicht immer auf ein sittenwidriges Verhalten nach § 826 BGB geschlossen werden.

Folgende Voraussetzungen müssen für den § 826 BGB vorliegen:

Zunächst ist das Verhalten zu benennen, welches die Haftung nach § 826 BGB begründen soll.
Der Anspruchsteller muss weiterhin einen Schaden erlitten haben. Dies gehört bei § 826 BGB zum haftungsbegründenden Tatbestand.
Das zur Haftung herangezogene Verhalten muss den Schaden adäquat kausal herbeigeführt haben.

Das Verhalten des Anspruchsgegners muss als sittenwidrig anzusehen sein. Sittenwidrig ist hierbei alles, was gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wobei auf Anschauungen der in Betracht kommenden Kreise zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen ist („Geschäftsmoral“). Maßgeblich ist hierbei ein Durchschnittsmaß an Redlichkeit und Anstand. Hierbei kommt es auf den Gesamtcharakter der Handlung unter Berücksichtigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck an.

Hierzu gehören insbesondere folgende Fallgruppen:

• Arglistiges Verhalten
• Verleiten zum Vertragsbruch
• Erteilen wissentlich falscher Auskünfte
• Ausnutzen wirtschaftlicher Machtstellungen

Der eingetretene Schaden muss auch in den Schutzzweckzusammenhang der Norm gehören. Dabei kommt es auf den Schutzzweck der konkret verletzten Verhaltensnorm an.

Es muss auch ein vorsätzliches Handeln des Anspruchsgegners vorliegen. Hierbei muss sich der Vorsatz zum einen auf die den Sittenverstoß begründenden Tatumständen beziehen, ohne dass die Sittenwidrigkeit als solche vom Vorsatz umfasst sein muss.
Zudem muss der Vorsatz auch die Zufügung des Schadens umfassen, da dieser zum haftungsbegründenden Tatbestand gehört.

Erforderlich ist hierbei, dass der Handelnde wissen muss, dass ein Schaden eintritt, wobei er diesen entweder wollen oder jedenfalls billigend in Kauf nehmen muss. Nicht erforderlich ist, dass der Vorsatz sich auch auf den Umfang des Schadens bezieht und den konkreten Schadensverlauf umfasst.

Der Schadensersatz nach § 826 BGB bezieht sich auf den Ersatz des negativen Interesses.

Der Geschädigte ist also so zu stellen, wie er ohne die schädigende Handlung stünde, wobei auch hier ein Mitverschulden nach § 254 BGB zu berücksichtigen ist.

Kammer bejaht sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Die Kammer begründet ihre Entscheidung damit, dass Kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit einer nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware erwerben würde. Der Kläger habe nicht das bekommen, was ihm aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.

Weiterhin müsse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Softwaremanipulation vorsätzlich vorgenommen habe. Die Beklagte habe im Prozess nicht dargelegt, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei, wer dies entschieden oder zumindest davon gewusst habe.

Außerdem handele es sich hierbei nach Auffassung der Kammer auch nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um eine Verbrauchertäuschung, die als ebenso verwerflich einzustufen sei, wie in der Vergangenheit etwa die Beimischung von Glykol in Wein oder von Pferdefleisch in Lasagne.

Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises und nicht nur eines etwaigen Minderwertes. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann angefochten werden.

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