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Schadensersatz für Risse im Gebäude wegen Tiefbauarbeiten?

Das OLG Oldenburg hat entschieden, ob ein Bauunternehmer Schadensersatz leisten muss, wenn an einem Einfamilienhaus durch Tiefbauarbeiten wegen eines Neubaus auf dem Nachbargrundstück Risse entstehen (Urteil vom 15.08.2017 – 12 U 61/16).
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Zur Frage, ob Schadensersatz für Risse im Gebäude wegen Tiefbauarbeiten zu leisten ist

Das OLG Oldenburg hat entschieden, ob ein Bauunternehmer Schadensersatz leisten muss, wenn an einem Einfamilienhaus durch Tiefbauarbeiten wegen eines Neubaus auf dem Nachbargrundstück Risse entstehen (Urteil vom 15.08.2017 – 12 U 61/16).

Sachverhalt:

Die Eigentümer eines Hauses aus der Jahrhundertwende hatte das Tiefbauunternehmen verklagt. Auf dem Nebengrundstück sollte ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage errichtet werden. Zur Sicherung der hierzu ausgehobenen Baugrube brachte der beklagte Unternehmer in einem Abstand von zum Teil nur 60 cm zum Grundstück der Kläger mehrere acht Meter lange Eisenträger in den Boden ein. Dazwischen wurden Stahlbleche eingesetzt.

Der Unternehmer hatte zunächst acht Meter tiefe Löcher in den Boden gebohrt und dann mit einem großen Rammgerät die Eisenträger eingebracht. Nach der Fertigstellung der Tiefbauarbeiten wurden die Stahlträger wieder gezogen. Die Kläger stellten Risse an ihrem Anbau fest und verklagten den Unternehmer. Es sei ein Schaden von rund 20.000 Euro entstanden. Der Unternehmer wies alle Schuld von sich.

Der Altbau hätte schon vor seinen Arbeiten Risse gehabt. Das läge an dem maroden Zustand des Gebäudes, das ohnehin abrissreif wäre. Außerdem könne eine etwaige Vergrößerung der alten Risse auch andere Ursachen haben, etwa die Grundwasserabsenkung aufgrund des Neubaus, für die nicht er, sondern ein anderer Unternehmer verantwortlich sei. Das LG Osnabrück war der Argumentation des Beklagten gefolgt und hatte die Klage abgewiesen.

Entscheidung:

Das OLG Oldenburg hat auf die Berufung der Kläger hin das Urteil der Vorinstanz geändert und den Klägern den begehrten Schadensersatz zugesprochen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Unternehmer gegen seine Schutzpflichten aus dem Werkvertrag gemäß § 241 Abs. 2 BGB verstoßen.

Zwar sei der Eigentümer des Nachbargrundstückes und nicht das Ehepaar Vertragspartner des Unternehmers. Dieser Werkvertrag entfalte aber eine Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier des Ehepaares. Die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten gälten auch ihnen gegenüber. Durch die Vibrationsarbeiten in unmittelbarer Nähe des Hauses der Kläger hätte der Unternehmer gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen.

Die Gefahr von Versackungen sei vorhersehbar gewesen und für die Art von Vibrationsarbeiten, wie sie der Beklagte durchgeführt habe, nahezu typisch. Der Gerichtssachverständige habe auch festgestellt, dass sich alte Risse in dem Gebäude nach den Arbeiten auf teilweise mehrere Zentimeter deutlich verbreitert und die gesamte Hauswand durchdrängt hätten.

Ein Fenster sei praktisch aus der Laibung gerissen worden, das Gebäude biete keinen Witterungsschutz mehr nach außen. Eine mögliche Absenkung des Grundwasserspiegels sei allenfalls in geringem Umfang mitursächlich. Daher müsse der Unternehmer den Schaden der Kläger begleichen.

Merke:

1. Liegt eine Schutzpflichtverletzung aus dem Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) vor und betrifft diese einen Dritten, der nicht Vertragspartner ist, kann sich ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergeben.

2. Während die Rechtsprechung die Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung anwendet (§§ 133, 157 BGB), stützt die überwiegende Auffassung in der Literatur den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf richterliche Rechtsfortbildung auf Grundlage des Prinzips von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

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