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Law Clinics III: Studentische Rechtsberatung Bielefeld

Wir nehmen euch mit auf eine kleine Reise durch das juristisch ehrenamtliche Deutschland und zeigen euch auf dem Weg verschiedene studentische Rechtsberatungen und Law Clinics. Erfahrt hier, worum es dabei geht und wie auch ihr Teil einer solchen Initiative werden könnt!
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Law Clinics III: Studentische Rechtsberatung Bielefeld

Law Clinics in Deutschland – Teil 3

Studentische Rechtsberatung Bielefeld

Wir stellen euch Initiativen in Deutschland vor, die sich ehrenamtlich im Bereich Recht einsetzen. Unser Ziel ist es, auf Angebote aufmerksam zu machen, die Studierenden nicht nur die ersten praktischen Erfahrungen ermöglichen, sondern auch einen Mehrwert für die Gesellschaft haben. Wir treten in Kontakt mit jungen Menschen, die ihre Freizeit unter anderem dazu nutzen, mit ihren erlernten Kenntnissen anderen zu helfen.

Um euch zu zeigen, welche Angebote es gibt und wie auch ihr ein Teil einer solchen Initiative werden könnt, nehmen wir euch mit auf eine kleine Reise durch das juristisch ehrenamtliche Deutschland und zeigen euch auf dem Weg verschiedene studentische Rechtsberatungen und Law Clinics. Hierbei stellen wir euch Mitglieder der einzelnen Initiativen vor und beleuchten den Mehrwert, den ein ehrenamtliches Engagement in diesem Bereich mit sich bringen kann.

Dritter Halt: Bielefeld

Die juristische Fakultät in Bielefeld bietet nicht nur den Studiengang mit dem Abschluss Staatsexamen an, sondern auch zwei Bachelorabschlüsse, einer davon im Bereich Recht und Management. An der Fakultät sind zurzeit rund 4.000 Studierende eingeschrieben. Das Angebot der Fakultät umfasst neben den üblichen Studierendenberatungen und Service-Angeboten seit April 2012 auch eine studentische Rechtsberatung. Wir haben Frau Prof. Dr. Susanne Hähnchen und Dr. Kathrin Glindemann, Rechtsanwältin und Mediatorin, beide Organisatorinnen der Rechtsberatung, zum ehrenamtlichen Engagement an der Universität Bielefeld befragt und stellen euch deren Rechtsberatung im Folgenden vor.

Iurratio: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Plattform zu schaffen, auf der Studierende sich ehrenamtlich im Bereich der Rechtsberatung einsetzen können?

Prof. Dr. Hähnchen: Im Jahr 2011veranstaltete das Institut für Anwalts- und Notarrecht der juristischen Fakultät der Uni Bielefeld eine Tagung zum Thema „Praktische Jurisprudenz“. Im Anschluss an diese Tagung sind die Direktoren des Instituts, also meine Kollegen Stephan Barton, Fritz Jost und ich, auf die Idee gekommen, hier eine Studentische Rechtsberatung einzurichten.

Iurratio: An wen richtet sich Ihr Angebot, wer kann sich an die Studentische Rechtsberatung wenden und unter welchen Voraussetzungen?

Prof. Dr. Hähnchen: Das Beratungsangebot richtet sich an Studierende der Fachhochschule und der Universität Bielefeld. Die Rechtssuchenden wenden sich mit ihrem Anliegen an die Studentische Rechtsberatung. Dort wird von einer Volljuristin entschieden, ob sich der Fall für die Beratung eignet, also ob der Fall von den studentischen Beraterinnen und Beratern zeitlich und inhaltlich bewältigt werden kann.

Außerdem müssen weitere Voraussetzungen für eine Beratung erfüllt sein:

  • Der Rechtssuchende muss eingeschriebener Studierender sein
  • Ein Streitwert von 750 € darf nicht überschritten werden
  • Eine Beratung gegen die Uni Bielefeld ist nicht möglich
  • Es erfolgt keine Beratung in straf- und steuerrechtlichen Angelegenheiten

Die Berater und Beraterinnen sind Jura-Studierende ab dem dritten Fachsemester. Sie nehmen im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Studentischen Rechtsberatung teil und können hier den Schlüsselqualifikationsnachweis erhalten. Sie werden im Rahmen einer Einführungsveranstaltung auf die Beratungstätigkeit vorbereitet.

Neben Fragen des Berufsrechts, der Haftung, der Fristenkontrolle und der Streitwertberechnung werden auch die Grundlagen der Kommunikation und Gesprächsführung sowie Verhandlungs- und Konfliktmanagement behandelt. Gesprächssituationen werden in Kleingruppen eingeübt. Die Beratung selbst findet dann in Teams (zwei oder drei Studierende) statt.

Iurratio: Gibt es einen typischen Ablauf der Fallbearbeitung? Wenn ja, wie sieht dieser aus?

Dr. Glindemann: Sind die Voraussetzungen für eine Beratung gegeben, wird ein Erstbesprechungstermin mit dem Mandanten vereinbart. Während des gesamten Verlaufs werden die studentischen Berater von einer Rechtsanwältin betreut. Das für das Mandat zuständige Team erhält bzw. erfragt die Informationen zum Fall.

Im ersten Besprechungstermin geht es also zunächst um die Feststellung des Sachverhalts und um die Ermittlung der Interessen und des Rechtsziels des Rechtssuchenden. Am Schluss dieses Termins wird ein Nachbesprechungstermin vereinbart (in der Regel 14 Tage später). In der Zeit zwischen diesen beiden Terminen arbeiten die Berater das Problem auf und erarbeiten Lösungsmöglichkeiten, die sich am Rechtsziel und den Interessen des Rechtssuchenden orientieren.

Diese Lösungsmöglichkeiten werden der Betreuerin zugeschickt, die ein Feedback dazu gibt und ggf. Ergänzungs- oder Änderungsvorschläge macht. Im Nachbesprechungstermin stellen die studentischen Berater dem Rechtssuchenden dann die Lösung vor und erörtern unterschiedliche Handlungsoptionen.

Iurratio: Auf welche Fachgebiete erstreckt sich die Beratung? Gibt es professionelle Unterstützung, beispielsweise von Anwälten oder Professoren?

Dr. Glindemann: Häufig geht es bei den Beratungen um mietrechtliche Fragen (oft mit WG-Mitbewohnern), vertragsrechtliche Probleme oder kleinere arbeitsrechtliche Fragestellungen (Nebenjobs). Die Studententische Rechtsberatung ist hier am Lehrstuhl von Frau Prof. Dr. Hähnchen angesiedelt, die das Projekt ebenfalls betreut und weiterentwickelt.

Prof. Dr. Hähnchen: Für das WS 2016/17 konnten wir sehr viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus dem Raum Bielefeld als Betreuer gewinnen. Dadurch kann das bisher uniinterne Projekt noch deutlicher praxisorientiert ausgerichtet werden. Die Akzeptanz in der Anwaltschaft und die engagierte Unterstützung sind sehr erfreulich! Wir sind gespannt auf die Kooperation.

Iurratio: Wie kann sich ein Rechtssuchender vorbereiten? Wie kann er die Arbeit der Rechtsberatung durch seine Unterstützung erleichtern?

Dr. Glindemann: Wichtig ist es, dass der Hilfesuchende alle relevanten Unterlagen in Kopie zur Beratung mitbringt. Dies wird bei der Vereinbarung des Termins nachdrücklich kommuniziert und funktioniert im Allgemeinen auch. Hilfsweise müssen die Unterlagen nachgereicht werden.

Iurratio: Auf welche Schwierigkeiten oder Besonderheiten muss sich ein Rechtssuchender einstellen? Entstehen womöglich Kosten?

Dr. Glindemann: Kosten entstehen für die Beratung nicht. Der Rechtssuchende muss sich darüber klar sein, dass es sich für die beratenden Studierenden um eine Lehrveranstaltung handelt und dass diese noch keine fertig ausgebildeten Juristen sind. Daher erhält er zu Beginn Informationen zum Projekt und zum Ablauf der Beratung.

Iurratio: Wie kann man die Law Clinic unterstützen oder sich dort engagieren? Welche Eigenschaftenbraucht man?

Dr. Glindemann: Die Studierenden, die bei der Rechtsberatung mitmachen möchten, sollten daran interessiert sein, einen Einblick in die Praxis zu bekommen und in Kontakt mit einem Rechtssuchenden zu treten. Dazu gehören auch Kompetenzen in Gesprächsführung, die in der Einführungsveranstaltung mit den studentischen Beratern eingeübt werden.

Die Gesprächssituation ist für Studierende eine Herausforderung und die meisten freuen sich, wenn sie diese gut gemeistert haben. Dies gilt besonders, wenn dem Rechtssuchenden ein Ergebnis nachvollziehbar vermittelt werden muss, das nicht seinen Vorstellungen entspricht, denn darin liegt eine besondere Schwierigkeit.

Iurratio: Gibt es Momente, in denen Ihnen die Arbeit in einer studentischen Rechtsberatung besonders gefällt? Wenn ja, welche?

Dr. Glindemann: Wenn Rechtssuchende mit der Beratung zufrieden sind und die Berater merken, dass sie ihre Sache gut gemacht haben.

Prof. Dr. Hähnchen: Schön ist die seit Beginn des Projekts große Nachfrage seitens der Rechtssuchenden (wir machen kaum Werbung) und vor allem der Berater. Es sind überdurchschnittlich motivierte und engagierte Studierende, die man hier antrifft.

Es geht nicht einfach nur darum, einen Schein zu machen. Das wird auch an dem Zuspruch und der Unterstützung durch die Bielefelder Anwaltschaft deutlich. Vor einiger Zeit ist zudem ein großer Wohlfahrtsverband an uns herangetreten, um eine Kooperation zu vereinbaren, was wir derzeit entwickeln.

Iurratio: Haben Sie den Eindruck, dass das Arbeiten mit realen Fällen besser auf das juristische Berufsleben vorbereitet? Profitieren die Studierenden persönlich davon?

Dr. Glindemann: Die teilnehmenden Studierenden berichten, dass sie einen hilfreichen Einblick in das Berufsleben bekommen haben. Besonders häufig betonen sie, dass die Ermittlung des Sachverhalts und des Rechtsziels des Rechtssuchenden zunächst ungewohnt ist, da während des Studiums mit feststehenden Sachverhalten und Fallfragen gearbeitet wird.

Auch die Erkenntnis, dass die Problematik des Falles nicht nur in der rechtlichen Lösung, sondern auch in der Ermittlung des Sachverhaltes und der Einschätzung der damit verbundenen Beweisfragen liegen kann, führt zu einer anderen Herangehensweise an Unterrichtsinhalte im Studium. Die Studierenden erfahren dadurch, wie das in den Vorlesungen Erlernte in der Praxis anzuwenden ist.

Durch die Gesprächssituationen werden die Studierenden selbstsicherer. Sie übernehmen die Verantwortung für einen Fall und haben Erfolgserlebnisse. Dies steigert auch die Motivation für das Studium.

Iurratio: Wo findet man Sie, beziehungsweise wie kann man Sie erreichen und kontaktieren?

Dr. Glindemann: Auf unserer Homepage: www.studentische-rechtsberatung-bielefeld.de oder unter:

Studentische Rechtberatung der Fakultät für Rechtswissenschaft
Universität Bielefeld
33501 Bielefeld
Postfach 10 01 31

Ansprechpartnerin: Rechtsanwältin und Mediatorin Dr. Kathrin Glindemann
Tel. 0521-106 3173
Mail: studentische.rechtsberatung@uni-bielefeld.de

Iurratio: Vielen Dank Frau Prof. Dr. Hähnchen und Frau Dr. Glindemann für das Interview!

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