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Gesellschaftsrecht und Prozessführung in einer Großkanzlei

Wer als Anwalt im Gesellschaftsrecht tätig sein will, muss sich in diesem Bereich sehr gut auskennen. Den Grundstein legt man bereits durch Wahl des Schwerpunktbereichs, des Promotionsthemas, durch Praktika, Nebentätigkeiten oder indem man seine Anwaltsstation in einer Wirtschaftskanzlei absolviert.
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Gesellschaftsrecht und Prozessführung in einer Großkanzlei

A. Die Tätigkeit als Anwalt im Gesellschaftsrecht

Nachwuchsjuristen, die es reizt, Mandanten rund um den Globus in bestimmten Rechtsgebieten zu beraten, sind in einer internationalen Großkanzlei gut aufgehoben. Und wer sich dafür entscheidet, als Anwalt im klassischen Gesellschaftsrecht und in der gesellschaftsrechtlichen Prozessführung tätig zu sein, den erwartet ein spannender Berufsalltag: Er berät Mandanten in allen Facetten des Gesellschaftsrechts – von der Gründung der Gesellschaft bis zu deren Auflösung oder Liquidation – sowie bei Restrukturierungen ihrer Unternehmen, führt komplexe gesellschaftsrechtliche Gerichtsprozesse ebenso wie nationale und internationale Schiedsverfahren.

I. Allgemeine gesellschaftsrechtliche Beratung

Mandanten treten an den Gesellschaftsrechtler oft mit komplexen Fragen heran – sei es, was geplante Kapitalmaßnahmen oder konzernrechtliche Verhältnisse anbelangt oder wenn es um Rechte und Pflichten der Geschäftsführer oder Gesellschafter – etwa in Konzernstrukturen – geht. Der Anwalt ist außerdem gefragt bei Gründungen von Gesellschaften, Satzungsänderungen, Auslegung von Satzungen und Gesellschaftervereinbarungen, Kapitalerhöhungen oder Auflösung und Liquidation von Gesellschaften.

Er berät nicht nur GmbHs und Personengesellschaft en – meist KGs –, sondern auch Aktiengesellschaften. Die aktienrechtliche Beratung ist meist vielschichtiger als die GmbH-rechtliche, da die AG formalistischer geprägt ist als die GmbH. Zur aktienrechtlichen Beratung gehört auch, Hauptversammlungen börsennotierter Gesellschaften vorzubereiten und durchzuführen.

II. Restrukturierungen

Restrukturierungen erfolgen oft nach Abschluss eines Unternehmenskaufs, um das neu erworbene Unternehmen in die bestehende Konzernstruktur zu integrieren. Außerdem kommen Restrukturierungen in Betracht, um zum Beispiel verschiedene Unternehmensbereiche aus strategischen oder operativen Gründen umzugestalten oder um Strukturen steueroptimal zu gestalten.

Die Restrukturierung kann in einer Umwandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 UmwG bestehen, also in einer Verschmelzung, Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung), Vermögensübertragung oder einem Formwechsel der Gesellschaft .

Darüber hinaus werden oft Gesellschaften konzernintern „umgehangen“, das heißt, die Anteile an einer Gesellschaft werden auf eine andere Gesellschaft übertragen. Da große Konzerne in der Regel aus zahlreichen Gesellschaften bestehen, gibt es bei einer Restrukturierung meist eine Fülle von Umstrukturierungsmaßnahmen. Oft sind Konzerne in vielen verschiedenen Ländern aktiv, so dass eine Restrukturierung wegen der vielen aufeinander abzustimmenden Vorgänge sehr komplex ist.

III. Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten

Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten umfassen gerichtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen als Gesellschaften auf der einen Seite und Gesellschaftern oder Aktionären auf der anderen Seite, etwa im Wege so genannter Beschlussmängelklagen bei der Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafter- oder Hauptversammlung. Zudem spielen gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern untereinander eine große Rolle.

Immer zahlreicher werden Organhaftungsfälle, in denen die Gesellschaften ihre (ehemaligen) Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Komplexe Streitigkeiten finden sich auch bei Unternehmenskaufverträgen – so genannte „Post-M&A-Streitigkeiten“. Diese werden regelmäßig vor nationalen oder internationalen Schiedsgerichten ausgetragen.

B. Der Kanzleialltag

Der Kanzleialltag sieht in den beschriebenen drei Spezialbereichen völlig unterschiedlich aus. Gerade die große Bandbreite macht die Tätigkeit so spannend und abwechslungsreich.

I. Allgemeine gesellschaftsrechtliche Beratung

Zum einen betreut ein Associate schon früh eigenständig gesellschaftsrechtliche Standardabläufe: Beispielsweise entwirft er Gesellschafterbeschlüsse und Handelsregisteranmeldungen für den Wechsel von Geschäft sführern und Prokuristen, für eine Satzungsänderung, Sitzverlegung oder eine Kapitalmaßnahme.

Zum anderen erstellt er auch Kurzmemoranda und umfangreiche Gutachten mit Fundstellennachweisen zu spezifischen gesellschaftsrechtlichen Fragen. So haben Berufseinsteiger in einer Großkanzlei von Anfang an die Möglichkeit, sich in interessante Spezialprobleme des Gesellschaftsrechts einzuarbeiten.

Auch die Mandanten mit einer eigenen Rechtsabteilung lagern oft spezifische Fragen an Kanzleien aus, die eine detaillierte Recherche erfordern. Interessant ist diese Arbeit vor allem für denjenigen, der sich gern vertieft, mitunter auch wissenschaftlich, mit rechtlichen Fragen beschäftigt. Die Betreuung von Hauptversammlungen erfordert umfassende Kenntnisse des Aktienrechts und der aktuellen Rechtsprechung, Literatur und Praxis.

Erfahrene Anwälte führen jüngere Kollegen Schritt für Schritt an diese Thematik heran. Während der Vorbereitung einer Hauptversammlung stellen sich viele spannende Rechtsfragen, so dass sich eine gute Gelegenheit für jüngere Kollegen bietet, sich ins Aktienrecht einzuarbeiten.

Highlight ist die Hauptversammlung selbst: Anwälte im Back Office müssen rechtliche Fragen der Aktionäre zur Hauptversammlung binnen kürzester Zeit beantworten und einen Vorschlag für eine Stellungnahme des Vorstands oder Aufsichtsrats formulieren und dem Versammlungsleiter Verhaltensratschläge geben. Da zu diesem Zeitpunkt eine umfassende Literaturrecherche nicht mehr möglich ist, bereitet man sich bereits im Vorfeld mit Musterfragen und -antworten (Questions & Answers, kurz Q&A) vor.

II. Restrukturierungen

Bei einem komplexen Restrukturierungsprozess sieht der Kanzleialltag völlig anders aus: Der Anwalt ist gefragt, den gesamten Prozess zu koordinieren und organisieren. Zunächst erarbeiten die Anwälte gemeinsam mit den Fachabteilungen und den steuerlichen Beratern des Mandanten einen so genannten „Step Plan“, der alle erforderlichen Schritte und einen Zeitplan enthält.

Anschließend entwerfen die Anwälte die gesellschaftsrechtliche Dokumentation – zum Beispiel Gesellschafterbeschlüsse, Handelsregisteranmeldungen und Anteilsübertragungsverträge – und überwachen und koordinieren die Arbeit anderer Praxisgruppen oder anderer Jurisdiktionen. Hier ist der Anwalt gefordert, unter hohem Zeitdruck einen Überblick über eine Flut von E-Mails und Telefonkonferenzen zu behalten.

Große Restrukturierungen eines Konzerns spielen sich fast ausschließlich auf internationalem Parkett ab, da die beteiligten Gesellschaften nur selten in Deutschland sitzen. Daher erfolgt die Dokumentation regelmäßig zweisprachig. Mit Mandanten und zu Kollegen im Ausland, die in anderen Jurisdiktionen beraten, kommuniziert der Anwalt regelmäßig in Englisch. Er muss die erforderlichen Informationen von den Kollegen im Ausland einholen, diese dem Mandanten eingängig vermitteln und das fremde Rechtssystem erklären.

Daher reicht es zum Beispiel nicht aus, den englischen Begriff „mortgage“ einfach mit „Hypothek“ zu übersetzen, sondern der Anwalt muss die unterschiedlichen juristischen Auswirkungen zumindest kurz erläutern.

Zudem arbeiten Anwälte während einer Restrukturierung oft mit Kollegen aus anderen Rechtsgebieten zusammen – beispielsweise mit Arbeits- oder Steuerrechtlern. Arbeitsrechtler kommen ins Spiel, wenn es etwa darum geht, den Betriebsrat vor dem Beschluss zu unterrichten; Steuerexperten prüfen und gestalten die steueroptimale Strukturierung der Transaktion.

III. Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten

Der Arbeitsalltag eines Spezialisten für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten sieht wiederum völlig anders aus: Hier steht die prozessrechtliche Tätigkeit, also das Erstellen von Schriftsätzen, im Vordergrund. Bevor die Auseinandersetzung streitig wird, vertritt der Anwalt seinen Mandanten bereits bei außergerichtlichen Verhandlungen mit der Gegenseite und verfasst die Korrespondenz, mit der er den Anspruch geltend macht oder bestreitet. Dazu muss er zunächst den oft komplexen Sachverhalt aufklären und in allen Facetten durchdenken.

Darüber hinaus hat er für seinen Mandanten die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens einschätzen. Im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten muss man sich – ebenso wie in der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Beratung – in der Praxis vertieft mit (gesellschafts-) rechtlichen Aspekten auseinandersetzen.

Diese Tätigkeit ist meist juristisch sehr anspruchsvoll. Sollten sich die Parteien außergerichtlich nicht einigen, vertritt der Anwalt den Mandanten in der Prozessführung – entweder vor einem ordentlichen Gericht oder vor einem Schiedsgericht. Neben gesellschaftsrechtlichem Fachwissen sind Spezialkenntnisse im Prozessrecht ein Muss. Die Prozesse haben regelmäßig einen hohen Streitwert.

Wie sie ausgehen, spielt daher für Unternehmen eine wichtige Rolle, nicht zuletzt wegen der Berichterstattung in der Tages- oder Fachpresse, zum Beispiel bei Organhaft ungsfällen. Bei den Auseinandersetzungen stimmt der Anwalt seine Schriftsatzentwürfe vorab Wort für Wort mit dem Mandanten ab, arbeitet den Inhalt auf und recherchiert ihn rechtlich. Auch gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten haben regelmäßig einen internationalen Bezug.

C. Praktikertipp

Ein im Gesellschaftsrecht tätiger Anwalt muss sich sehr gut im Gesellschaftsrecht auskennen, vor allem im Kapitalgesellschaftsrecht. Den Grundstein dafür legt er idealerweise bereits im Studium durch Wahl seines Schwerpunktsbereichs oder anschließend des Promotionsthemas, durch Praktika, Nebentätigkeiten und/oder durch eine Referendarstation in einer Wirtschaftskanzlei. Im Berufsalltag kann er schließlich diese Kenntnisse praxisnah vertiefen.

Darüber hinaus sollte sich ein Anwalt im Gesellschaftsrecht für wirtschaftliche Zusammenhänge interessieren und dazu fähig sein, sich schnell in neue Sachverhalte einzuarbeiten sowie wirtschaftliche Abläufe im Unternehmen des Mandanten nachzuvollziehen.

Oft ist die Arbeitssprache Englisch, da insbesondere in internationalen Sozietäten die Mandanten oder zumindest Ansprechpartner involvierter Konzerngesellschaft en häufig nicht Deutsch sprechen. Daher sind gute englische Sprachkenntnisse und auch Kenntnisse der englischen Rechtssprache unerlässlich. Diese sollten Nachwuchsjuristen idealerweise im Ausland erwerben, um auch mit den Besonderheiten der fremden Rechtskulturen vertraut zu werden.

Auslandsaufenthalte im Studium – zum Beispiel ein Erasmus- oder LL.M.-Studium oder ein Forschungsaufenthalt während der Promotion – sowie Auslandspraktika und Referendarstationen im Ausland sind daher sehr zu empfehlen.

von Prof. Dr. Sabine Otte-Gräbener, LL.M.

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