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Fall Raphael: Mittäterschaft oder bloße Billigung?

Der BGH hat entschieden, dass der Fall um den getöteten vierjährigen Raphael neu verhandelt werden muss, weil das LG Ulm die Mittäterschaft der Mutter und ihres Ex-Partners nicht hinreichend begründet hat (Urteil vom 10.10.2017 – 1 StR 496/16).
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Zur Abgrenzung von Mittäterschaft und bloßer Billigung

Der BGH hat entschieden, dass der Fall um den getöteten vierjährigen Raphael neu verhandelt werden muss, weil das LG Ulm die Mittäterschaft der Mutter und ihres Ex-Partners nicht hinreichend begründet hat (Urteil vom 10.10.2017 – 1 StR 496/16).

Sachverhalt:

Das LG Ulm hatte die beiden Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen jeweils zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Nach den landgerichtlichen Feststellungen lebte die Angeklagte, die Mutter des im Jahr 2006 geborenen R., seit Herbst 2009 mit ihrem Lebensgefährten, dem Mitangeklagten, und ihrem Sohn in häuslicher Gemeinschaft.

Der Mitangeklagte übernahm dabei die Vaterrolle für R. Spätestens ab Mitte Februar 2011 erfolgten mehrfache massive Misshandlungen des Kindes durch jeweils einen der Angeklagten. Diese rohen Misshandlungen richteten sich gegen den gesamten Körper, auch gegen das Gesicht und den Schädel des R. Wer die einzelnen Gewalthandlungen ausführte, konnte das Landgericht nicht ermitteln.

Ausweislich der Feststellungen wusste der/die jeweils untätige Angeklagte allerdings um die Ursache der Verletzungen und billigte das Verhalten des anderen. Am Tattag, dem 12.03.2011, schlug zumindest einer der beiden Angeklagten das Kind in der gemeinsamen Wohnung massiv mit der Faust auf den Schädel oder ließ es an den Füßen haltend kopfüber aus nicht geringer Höhe auf den Schädel fallen.

Dies hatte eine sofortige Bewusstlosigkeit des Kindes zur Folge und führte nach wenigen Minuten zum Herzstillstand und noch am selben Tag zum Eintritt des Hirntodes. Auch bezüglich dieser Tathandlung konnte das Landgericht nicht feststellen, welcher der beiden Angeklagten die Gewalthandlung ausführte.

Entscheidung:

Der BGH hat auf die Revision der beiden Angeklagten dieses Urteil aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Nach Auffassung des BGH genügen die bislang getroffenen Feststellungen zu den tatsächlichen Geschehnissen nicht, um beide Angeklagten als Mittäter einer Körperverletzung zu Lasten des getöteten Kindes anzusehen.

Diese Mittäterschaft sei aber notwendige Voraussetzung für die jeweils erfolgte Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB. Der Mangel im Urteil des Landgerichts führe zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Wegen des einheitlichen Geschehens könne auch die rechtsfehlerfrei angenommene Verurteilung wegen Misshandlung Schutzbefohlener nach § 225 StGB nicht bestehen bleiben.

Der BGH hat allerdings darauf hingewiesen, dass nach den bislang festgestellten Umständen eine Verurteilung der Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen strafbarer Beihilfe dazu keineswegs ausgeschlossen sei. Die jetzt neu zur Entscheidung berufene Strafkammer müsse dann jedoch weitergehende Feststellungen treffen, als dies im aufgehobenen Urteil der Fall war.

Merke:

1. Die Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB ist eine Form der Zurechnung fremden Verhaltens. Voraussetzungen dafür sind, dass die Mittäter einen gemeinsamen Plan haben und dem jeweils anderen die Tathandlung zugerechnet werden kann.

2. Wie die Kriterien zur Zurechnung ausfallen sollen, ist umstritten. Die Tatherrschaftslehre (Literaturmeinung) stellt auf eine funktionelle Tatherrschaft ab. Für eine Mittäterschaft muss der Mittäter danach das Geschehen mit in den Händen halten und arbeitsteilig mitwirken. Das Mitwirken kann sowohl in der Ausführung, als auch in der Planung bzw. Organisation stattfinden.

Nach der subjektiven Theorie (Rechtsprechung) ist ein Täterwillen erforderlich. Der Täter muss die Tat demnach als eigene wollen (animus auctoris). Zusätzlich muss sein Tatbeitrag die Tat fördern. Kriterien, um einen Täterwillen festzustellen, erfolgen anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung und können sein: Der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung.

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